Physiknobelpreis 1928: Owen Williams Richardson

Physiknobelpreis 1928: Owen Williams Richardson
Physiknobelpreis 1928: Owen Williams Richardson
 
Der englische Physiker wurde für seine Arbeiten zur thermionischen oder Glühemission und insbesondere für das nach ihm benannte Gesetz ausgezeichnet.
 
 
Sir (seit 1939) Owen Williams Richardson, * Dewsbury 26. 4. 1879, ✝ London 15. 2. 1959; er wurde 1906 zum Professor für Physik an die Princeton-University in den USA berufen; 1914 Rückkehr nach England an das King's College der University of London.
 
 Würdigung der preisgekrönten Leistung
 
Owen Richardson fand 1901 im Alter von 22 Jahren eine theoretische Deutung für die Temperaturabhängigkeit der Glühemission, dem Austritt von Elektronen aus erhitzten Metalloberflächen, und formulierte das nach ihm benannte entsprechende Gesetz. Es war für die Entwicklung der Glühkathodenröhren und damit für die Entwicklung von Elektronenröhren und Verstärkern von ganz fundamentaler Bedeutung. Für diese Leistung wurde er 1928 mit dem Nobelpreis für Physik ausgezeichnet
 
Richardsons Arbeiten bauen auf der Entdeckung von Charles-François Du Fay auf. Der vielseitige französische Physiker hatte 1737 beobachtet, dass glühende Metalle die Luft in ihrer unmittelbaren Umgebung elektrisch leitend machen. 1882, mehr als 100 Jahre später, erkannten Julius Elster und Hans Friedrich Geitel den Grund dafür: Elektrische Ladungen treten aus den Körpern aus.
 
Ein Jahr später entdeckte der amerikanische Elektrotechniker Thomas Alva Edison den glühelektrischen Effekt, die Emission von Elektronen aus erhitzten Metall- und Halbleiteroberflächen (Edison-Effekt). Das Elektron war allerdings noch gar nicht entdeckt. Dies gelang erst 1897 Joseph Thomson (Nobelpreis 1906), der das Phänomen ebenfalls untersuchte. Die Leitfähigkeit der Luft in unmittelbarer Nähe glühender Metallkörper musste demnach direkt von den Elektronen abhängen, die auf eine noch unbekannte Weise aus den Metallen austraten.
 
 Elektronengas verdampft
 
Thomsons junger Schüler Richardson erkannte sehr schnell, dass das Phänomen mit der elektrischen Leitfähigkeit der Metalle zusammenhängen musste. Ein kleiner Teil der im Metallgitter enthaltenen Elektronen war in der Lage, den Metallkörper zu verlassen. Diese frei beweglichen Elektronen nennt man Leitungselektronen.
 
Wird das Metall erwärmt, geraten sowohl die Atome im Gitter als auch die Leitungselektronen in immer stärkere Bewegung. Während die Atome an das Kristallgerüst gebunden sind, bewegen sich die Leitungselektronen dazwischen wie die Moleküle eines Gases. Man spricht deshalb vom Elektronengas. Bei hoher Temperatur ist die Geschwindigkeit der Leitungselektronen so groß, dass sie das Metall verlassen können. Sie verdampfen gleichsam.
 
Aufgrund dieser Erkenntnis formulierte Owen Richardson das nach ihm benannte Gesetz. Es beschreibt, wie die Stärke des aus dem Metall austretenden Elektronenstroms mit der Temperatur wächst, und gleichzeitig, wie die aufzuwendende Abtrennungsarbeit der Elektronen mit der Art des Metalls zusammenhängt. Je höher die Temperatur des Metalls, desto stärker die thermische Bewegung der Elektronen im Innern. Dabei steigt die Emissionsstromdichte quadratisch und exponentiell mit der Temperatur. Die von dem russisch-amerikanischen Physikochemiker Saul Dushman später an die Quantenphysik angepasste Gleichung von Richardson liefert die Stromdichte der thermischen Elektronenemission bei gegebener Temperatur.
 
Die außerordentliche theoretische Leistung von Richardson harrte in der Folge der experimentellen Bestätigung. Richardson mühte sich jahrelang im Labor, seine Vorstellung zu beweisen. Durch viele Fehlversuche war mittlerweile denkbar, dass seine Theorie vollkommen falsch war. Erst nach zwölf Jahren intensiver Forschung gelang es ihm, den experimentellen Beweis anzutreten. Das verwendete Metall musste temperaturbeständig sein und eine nur kleine Austrittsarbeit fordern. Glühkathoden bestehen deshalb häufig aus thoriertem Wolframdraht, der mit Erdalkalioxiden überzogen ist, oder auch aus Barium-Strontium-Oxid. Heizt man einen Wolframdraht bis zur Gelbglut auf, so haben einige Elektronen ausreichend Energie, um gegen die elementspezifischen Kräfte aus der Oberfläche auszutreten.
 
 
Der Richardson-Effekt diente vor allem als Basis für die Verbesserung von Stromgleichrichtern und Verstärkern. Arthur Rudolf Bertholt Wehnelt hatte um 1900 den Edison-Effekt dazu genutzt, Gleichrichterröhren herzustellen, die für die Verstärkung elektrischer Signale notwendig sind. Das Problem der Verstärkung schwacher Ströme war aber noch nicht gelöst. Der Richardson-Effekt war wesentlich, um besser regulierbare Elektronenröhren zu entwickeln.
 
Zum Zeitpunkt der Übergabe des Nobelpreises gab es bereits eine 22 000 Kilometer lange Telefonverbindung zwischen Europa und New York. Damit das gesprochene Wort auch verständlich in der Neuen Welt ankam, mussten unterwegs 166 Verstärker eingebaut werden, die ohne Richardsons Erkenntnisse bei weitem nicht so gut regelbar gewesen wären.
 
Das Nobelkomitee erhoffte sich auch eine verbesserte Krebsbekämpfung. Stärke und Intensität der eingesetzten Röntgenstrahlen sollten sich besser regulieren lassen.
 
 Zusammenhang von Drehimpuls und Magnetismus
 
Der Name Richardson ist auch mit einem weiteren Effekt untrennbar verbunden. Nach dem französischen Mathematiker und Physiker André Marie Ampère besteht ein Magnet aus vielen kleinen Elementarmagneten. Der dänische Physiker Niels Hendrik David Bohr (Nobelpreis 1922) erkannte, dass Elementarmagnete Atome sind. Nach dem Rutherford-Bohr-Sommerfeld'schen Atommodell war auch zu erwarten, dass das Atom einen mechanischen Drehimpuls und ein damit eng gekoppeltes magnetisches Moment hat. Beides folgte unmittelbar aus der Vorstellung, dass die Elektronen den Kern umlaufen und dadurch den Magnetismus erzeugen. Richardson sagte 1908 diesen kreiselmagnetischen (gyromagnetischen) Effekt voraus. 1915 wurde seine Voraussage von Albert Einstein (Nobelpreis 1921) und dem niederländischen Physiker Wander Johannes de Haas bestätigt.
 
Die beiden Forscher bestimmten zum ersten Mal ein gyromagnetisches Verhältnis, das heißt, den Zusammenhang zwischen Drehimpuls und magnetischem Moment.
 
Sie stellten in ihrem gemeinsamen Versuch fest, dass die mit dem Ummagnetisieren eines Eisenstabs einhergehende Umkehr der molekularen Kreisströme zu einer Änderung ihrer Drehimpulse führt. Hängt man einen Eisenstab in eine senkrecht gestellte Spule und schickt durch die Spule einen kurzen Stromstoß, werden die Elementarmagnete gleichgerichtet, der Stab wird magnetisch. Dadurch entsteht ein Gesamtdrehimpuls, während sich vorher die Einzelimpulse der Atome infolge ihrer ungeordneten Lage gegenseitig aufgehoben hatten. Der plötzlich auftretende Drehimpuls dreht den Stab etwas aus seiner Anfangslage heraus. Der Richardson-Einstein-de-Hass-Effekt oder gyromagnetische Effekt beschreibt diesen Zusammenhang zwischen dem magnetischen Moment und dem Drehimpuls.
 
U. Schulte

Universal-Lexikon. 2012.

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